Familien-Futter für euch
kleine Sammlung an ernsten, komischen und interessanten Impulsen und Reflexionen zur Beziehung zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern . . .
Hier der Link zu einem Gespräch zwischen Gabor Maté und seinem Sohn Daniel, was einerseits spannend ist für deren Konzeption der Prototypen und famosen Widerekennungswert gibt und ihr euch oder eure Eltern vielleicht darin entlarven könnt. Aber es ist auch interessant zwischen den Zeilen die Nuancen ihrer Vater-Sohn-Beziehung mitzubekommen, was implizit ist und was nicht und wie sie darüber sprechen. Ich schätze sehr wie die zwei in so großer Öffentlichkeit und mit dieser Bereitschaft sich der Beziehungsklärung zu widmen, aber ich glaube es fehlen für mich ein paar Aspekte, das hat vermutlich mit deren Vorstellungen von Familie, Fühlen, Empathie und deren Prämissen der Beziehung zu tun.
Hier eine kurze Sequenz (schlechte Qualität, weil mit meinem Handy aufgenommen) aus der Netflix-Doku „Victoria Beckham“. Spürt mal nach: das Kind wird beschämt in der Schule, ruft weinend die Eltern an und dann haben diese zwei verschiedene „Lösungen“ im Angebot, wie das Problem angegangen werden kann. Auch interessant, was dann später als Erfolg verbucht wird, dass sie so eine starke und erfolgreiche Frau geworden ist und sie dies „bereit gemacht hat fürs Leben“. Wie viel Selbstverwirklichung ist bei ihr drin (wie sie in der Serie selbst immer wieder betont) und wieviel unbewusste Eltern-Beweis-Performance-Karriere?
…. meint David Beckham das in etwa so, wie Victoria stark geworden ist durch ihre Eltern?
„Das Gebot, unsere Eltern nicht zu beschuldigen, das uns durch unsere Erziehung tief eingeprägt wurde, erfüllt äußerst wirkungsvoll die Funktion, wesentliche Wahrheiten vor uns zu verbergen.“ Alice Miller
Alice Miller war eine Psychologin und Philosophin, die sich unter anderem mit der Wirkung von Kindheitstraumata und autoritären Erziehungsmethoden beschäftigte und die etablierte Psychoanalyse scharf kritisierte, weil sie ihrer Ansicht nach zu sehr die realen Missbrauchserfahrungen von Kindern verleugnete. Spannend finde ich, dass ihr Sohn Martin Miller den Wert ihrer Forschung zur Kindheit anerkennt, aber auch kritisch sieht, wie seine Kindheit unter dem Einfluss ihrer traumatischen Vergangenheit verlief und wie diese Ambivalenz zwischen professioneller Theorie und familiärer Praxis sich für ihn ausgewirkt hat. Er hat das aber erst nach ihrem Tod so klargestellt m.E., vielleicht fehlte ihm der Mut als seine Mutter noch lebte. Aber wichtig ist vielleicht zu beachten: großartige Erkenntnis ist das eine, menschliche Verkörperung und Herz-Durchlässigkeit für Beziehungsfähigkeit das andere … (Stichwort diverse Gurus, spirituelle Lehrer und wie Narzissmus, Missbrauch da passiert, TROTZ toller Erkenntnis und Weisheit)
Eine andere Perspektive ist die von Ram Dass, lauscht mal, in der er versucht seiner Mutter über ihren Tod hinaus nahe zu sein, er auf ihrer Beerdigung LSD nimmt und dann etwas interessantes passierte …
Generell spannend sich die Frage zu stellen: Was, wenn ich mit meiner Mutter/meinem Vater erst nach ihrem Tod richtig in Verbindung treten kann, mit ihnen sprechen? Uns zu Lebzeiten viel Schutz und Strategien trennen … Je nach Weltbild, Erfahrung und Bewusstsein kann dir das einen neuen Blick geben auf jenseitige und irdische Beziehungen zu Eltern.
Er sagte auch mal: „If you think you are enlightened, go spend a week with your family.“
Kollektivistismus vs Individualistismus – zwei Pole und gesellschaftliche Dynamiken, die sich stark auf dein Verständnis von Familie, Werte und Selbstbild auswirken.
Hier hat Gunnar Kaiser eine kurze Darstellung und seine Gedanken dazu geteilt.
In kollektivistischen Kontexten kann sichtbare Heilung unmoralisch erscheinen (Familie öffentlich kritisieren), während in individualistischen Kontexten die Freiheit zu „gehen“ oft nicht wirklich innere Freiheit bedeutet. In manchen Kulturen ist das Leugnen von Familienverletzung ein soziales Stabilitätsfaktor oder das Nach-vorne-Schauen ein großer Wert. Aus individualistischen Strukturen heraus neigen Menschen dazu, Eltern „abzuschneiden“ statt Beziehung zu klären (innerlich wie äußerlich).
Die Abwesenheit von Konflikten ist leider KEIN Beweis für die Anwesenheit von Liebe – das stößt in meiner Familie auf Widerstand und fordert mich fein in meiner Selbstautorität. Eigentlich ist das wie eine Initiation und vor allem komme ich endlich mehr in die REALITÄT, anstatt mich der Illusion hinzugeben, wie es denn sein könnte wenn xyz oder ich nur besser erklären müsste damit meine Eltern xyz. Realität ist fühlbar und verdaubar als emotional Erwachsene.
Universell und kollektivistisch sind keine Synonyme. Universelle Wahrheit steht über individueller Wahrheit, ja. Wird Wahrheit jedoch instrumentalisiert — etwa als Werkzeug von Macht — entsteht eine kollektive „Wahrheit“, die nicht mehr wahr ist, sondern nur noch nützlich. Sie löst sich von der universellen Quelle und bleibt als Ideologie zurück.
Wenn ein Kind heranwächst, erlebt es „Wahrheit“ zuerst nicht als etwas Universelles, sondern als etwas Kollektives: Familienwahrheit. Das „Wir“ steht vor dem „Ich“. Anpassung bedeutet Zugehörigkeit und Zugehörigkeit bedeutet Überleben. Später nennen Kulturen das dann „Tradition“, Nationen nennen es „Werte“, Religionen „Glaubenssätze“, Unternehmen „Visionen“, und Partner in Beziehungen nennen es „so bin ich eben“. Was da m.E. passiert: Eine kollektive Wahrheit ersetzt die universelle Wahrheit – um Bindung zu sichern, nicht um Wahrheit zu ehren. So wollt ich euch mit der Mikro- und Makroebene das zusammendenken lassen. Ich hab ja außerdem mal Soziologie studiert und daher find ich solche Reflexionen ganz spannend.
… das ist äußerst schräg! Gelesen in der „Psychologie Heute“ 2024, ein Artikel vom einem Herren der Psycholoanalyse!
Warum ich das äußerst problematisch finde? Weil hier das Kind (egal ob erwachsen oder nicht) dafür verantwortlich gemacht wird, ob und wieviel Liebe es bekommt. Ko-Abhängigkeit! Das Kind/Individuum entwickelt ein Leistungs-Selbst und eine tiefe Angst vor dem Versagen. Es lernt: Mein Wert ist an meine Funktion (die narzisstische Bestätigung des Anderen) gebunden.
Die Logik des Zitats, in der das Kind die Mutter bestätigen muss („gute Mutter“), um als „gutes Kind“ bestätigt zu werden, ist der Gründungsmoment des Strategischen Selbst. Was da gefordert wird, ist ein co-abhängiger, funktionaler Tausch zwischen zwei Strategischen Selbsten, die sich gegenseitig stützen, um nicht zusammenzubrechen. Funktionale Resonanz, keine emotional herzbasierte.
Ich find es leider traurig. Dieses Zitat beschreibt die reziproke Wechselwirkung und die Weitergabe von Mustern in der Beziehung. Die Eltern geben unbewusst ihre eigenen emotiven Stauungen (durch ihren Schutz-Anteil) an das Kind weiter. Echte „Liebe“ (die Seelenessenz) kann vom „Schutz“ nicht vermittelt werden. Das, was oft als „Liebe“ weitergegeben wird, ist eine konditionierte oder verhaltensgesteuerte Form von Fürsorge, die auf Kosten der tieferen Gefühlswirklichkeit des Kindes geht.
Franz Kafkas „Brief an den Vater“ zeigt seinen Vater-Sohn-Konflikt und er beleuchtet das Autoritätsverhältnis anhand von konkreten Alltagsbeispielen… rund um Doppelmoral, kognitive Dissonanz, Unwerterleben, Macht, Angst und Widersprüche:
„Für mich als Kind war aber alles, was Du mir zuriefst, geradezu Himmelsgebot, ich vergaß es nie, es blieb mir das wichtigste Mittel zur Beurteilung der Welt, vor allem zur Beurteilung Deiner selbst, und da versagtest Du vollständig. Da ich als Kind hauptsächlich beim Essen mit Dir beisammen war, war Dein Unterricht zum großen Teil Unterricht im richtigen Benehmen bei Tisch. […] Knochen durfte man nicht zerreißen, Du ja. Essig durfte man nicht schlürfen, Du ja. Die Hauptsache war, daß man das Brot gerade schnitt; daß Du das aber mit einem von Sauce triefenden Messer tatest, war gleichgültig. Man mußte achtgeben, daß keine Speisereste auf den Boden fielen, unter Dir lag schließlich am meisten. Bei Tisch durfte man sich nur mit Essen beschäftigen, Du aber putztest und schnittest Dir die Nägel, spitztest Bleistifte, reinigtest mit dem Zahnstocher die Ohren.“
Beispiel unglückliche Ehe:
- Unbewusste Frage (Annahme): Was passiert, wenn ich in einer Ehe bleibe, in der ich die Person nicht wirklich liebe, weil ich glaube, dass Sicherheit wichtiger ist als wahre Liebe?
- Leiden (Antwort): Ich ziehe emotionale Distanz, Langeweile, Frustration und das Gefühl des inneren Absterbens an. (Das Leiden beweist: Sicherheit ohne Liebe macht unglücklich.)
Beispiel Depression:
- Unbewusste Frage (Annahme): Was passiert, wenn ich meine Depression nicht wirklich emotional angehe, sondern sie nur mit Medikamenten behandle, weil ich glaube, dass ich meine tiefen Emotionen nicht halten kann?
- Leiden (Antwort): Ich fühle mich emotional taub, nicht wirklich geheilt, und die Depression kehrt bei Stress zurück. (Das Leiden beweist: Die Angst vor dem Fühlen hält die Wunde aufrecht.
Was, wenn wir nicht einfach unter dem Leben leiden, sondern wir erleben die logische Konsequenz der eigenen tiefsten, unbewussten Überzeugungen? Sobald die unbewusste Frage klar ist, kann man die Prämissen bewusst testen. Man kann entscheiden, eine neue Frage zu stellen (z.B. „Was passiert, wenn ich wähle, aus meiner Integrität heraus zu handeln?“) und damit ein neues Leiden (z.B. der Schmerz der Trennung) anziehen, das aber zur Heilung führt.
Identifikation der Lücke
Wenn das Leiden die Antwort auf die unbewusste Frage ist, führt der Schmerz oft zur Leere oder zu unterdrückten Emotionen. Du kannst identifizieren, welche Seelen-Emotion (z.B. Wut, tiefe Trauer, reine Freude) du in der Kindheit opfern musstest, um dem fehlerhaften Prämissen des Lebens/deinem Zuhause zu entsprechen.

